Die Geschichte der Windmühle zu Harkebrügge

Dass sich bis 1937 die Flügel eines stattlichen Galerieholländers drehten, wissen nur noch wenige ältere Einwohner aus Harkebrügge.

Die Geschichte begann um 1810 als Hermann Jansen (Müller) geb. 1789 in Börger (Amt Meppen) nach Harkebrügge kam, um dort als Zimmermann und Anbauer zu arbeiten. Im Jahre 1817 heiratete er Johanna Bretgeld aus Harkebrügge.

Aus dieser Ehe gingen 6 Kinder hervor. Hermann Jansen (Müller) verstarb 1874. Das vierte Kind, Bernhard Müller Jansen, geb. 1824, war Hauseigner, Zimmermann und Windmüller. Er heiratete um 1850 Maria Anna Lüchtenborg aus Kampe.

Aus dieser Ehe gingen 7 Kinder hervor. Am Ortsausgang von Harkebrügge in Richtung Barßel baute er 1853 ein Haus, heute Sassen – Käßmann. Die Windmühle erstand 1864.

Das besondere an dieser Tatsache ist, dass er seine Windmühle selber baute! Kurz nach der Fertigstellung nahm er sie in Betrieb.

Vom Typ her war es ein Galerieholländer mit einem großen Schrotgang mit dem Roggen, Hafer und Gerste zu Back- und Futterschrot verarbeitet wurden. Sie hatte ferner einen Schälgang, der Gerste zu Graupen schälte. Außerdem besaß sie einen Feinmehlgang, womit Roggen und Buchweizen fein gemahlen wurde. Mittels einer Beutelkiste wurden die Schalen vom Mehl getrennt.

Der Läuferstein des Feinmehlganges befindet sich heute im Besitz von Dr. Meiners in Elisabethfehn. Zwei weitere Mühlsteine, einer als Mühlenbrunnen auf dem Kirchplatz in Harkebügge, und einer im Besitz von Heinz Sassen, sind noch erhalten.

Nach Aussage von Johann Müller, geb. 1934, aus Friesoythe, ein direkter Nachfahre von Bernhard Müller, hat er 1854 auch die Kirchspielmühle in Barßel gebaut. Ein Bauplan der Mühle hing bis noch vor einigen Jahren über der Eingangstür des Müllerhauses. Man kann annehmen, dass er mit dem Lohn den Grundstock für seinen Mühlenbau in Harkebrügge legte.

Dass Bernhard Müller-Jansen die Mühle betreiben durfte, verdankt er der Tatsache, dass um 1860 die Gewerbefreiheit im Großherzogtum Oldenburg eingeführt wurde und es keine Mühlengerechtigkeit und keinen Mühlenbann mehr gab. Zuvor mussten alle Bewohner des Kirchspiels Barßel in der Kirchspielmühle in Barßel oder in der Wassermühle in Friesoythe mahlen lassen. Das Besondere an dieser Tatsache ist, dass die Barßeler Mühle der Friesoyther Mühle unterstand. Bei den damaligen katastrophalen Wegverhältnissen war es für die Harkebrügger Bauern eine große Entlastung als die Mühle in Harkebrügge ihren Betrieb aufnahm.

Die Erzeugnisse der Harkebrügger Windmühle reichten für die damaligen Verhältnisse in der Bauernschaft voll und ganz aus.

Alle Dorfbewohner freuten sich, wenn ein frischer Wind wehte und die Mühle flott arbeiten konnte.

Nach dem Tod von Bernhard Müller-Jansen im Jahre 1871 führten seine Witwe und die Kinder den Mühlenbetrieb erfolgreich weiter. Es wurde sogar 1878 ein Backhaus gebaut, um die vielen Neusiedler, die durch die Markenteilung nach Harkebrügge kamen, mit Brot zu versorgen.

Im Jahre 1888 starb auch Maria Anna Müller-Jansen. Der älteste Sohn, Johann Müller übernahm nach ihrem Tod die Geschäfte.

Bild um 1900: links Wohnhaus, mitte Maschinenfabrik, rechts Galerieholländer

Johann Müller war ein sehr geschäftiger Mann mit hohem technischen Können und Risikobereitschaft. So baute er 1891 eine Maschinenfabrik für Mühleneinrichtungen und Zubehör. Es wurden unter anderem Dreschmühlen, Spitzmühlen, Staubmühlen, Göpel, Transmissionen sowie Gas- und Petroliummotoren hergestellt und in ganz Norddeutschland vertrieben.

Die Maschinenfabrik war ausgestattet mit 2 Motoren und einer Transmissionsanlage. Diese Anlage betrieb 2 Drehbänke, eine Bohrmaschine, eine Hobelmaschine, eine Kreissäge und 2 Bandsägen. Ebenso gehörten eine Schmiede und ein Windrad zur Stromerzeugung zu der Maschinenfabrik.

Es wurden bis zu 13 Leute beschäftigt. Für damalige Verhältnisse war die Maschinenfabrik Johann Müller in dieser Region mit Sicherheit schon ein mittelständiges Unternehmen! Es haben unter anderem Helmerich Sassen als Elektriker und Johann Oldenburg (Prinz Jan) in der Maschinenfabrik gearbeitet. Ein Spitzdrescher mit Rollschüttler und der Aufschrift: „Joh. Müller Harkebrügge“ befindet sich heute noch im Fundus der Mühle von Scharrel.

Am 24.05.1895 ereignete sich während eines Sturms ein Unglück bei der Windmühle. Maria Catharina Sontag wurde von einem Stück Holz aus dem Windmühlenflügel getroffen. Sie war auf dem Heimweg von der Schule und verstarb mit 8 Jahren.

Zur Familie Müller gibt es in Harkebrügge noch folgende Geschichte: Eine namentlich nicht genau bekannte Frau Müller, die bei Müllers einheiraten wollte, hatte einen Sprachfehler, sie stotterte, und hat folgendes Gelübde abgelegt: „Wenn ich bei meiner Hochzeit in der Kirche das Ja-Wort ohne stottern sagen kann, dann errichte ich aus Dankbarkeit ein Wegekreuz.“ Dieses Kreuz befindet sich noch heute dort!

Im Jahre 1907 verkaufte Johann Müller das gesamte Anwesen mit Mühle an Meinert Sassen aus Harkebrügge. Johann Müller wanderte nach dem Verkauf nach Amerika aus. Warum und weshalb Johann Müller Hals über Kopf Harkebrügge verlassen hat, ist nicht mehr nachvollziehbar.

Meinert Johann Sassen verkaufte im Gegenzug seinen Hof im Dorf an Gerhard Johann Nehus geb. 1863, ein Bäcker aus Loga bei Leer. Heute befindet sich dort die Tischlerei von Hans-Ludwig Kurre. Zusätzlich zum Verkaufserlös nahm Meinert Sassen noch einen Kredit in Höhe von 1000 RM vom Bauer Bretgeld aus Lohe auf. Der Brandkassenwert der Immobilie betrug ca. 17.000 RM ohne Inventar. Man kann sagen, dass es für Meinert Sassen ein für damalige Verhältnisse doch ein gewaltiger Kraftakt war.

So wurde der älteste Sohn Eilert zum Schafe hüten nach Lohe beim Bauern Bretgeld vermietet. Es wurde jede Mark gebraucht.

Aber die Mühle wurde mit Erfolg als Mühle und als Mehl- und Getreidehandel weiterbetrieben.

Da Meinert Sassen Müller und Bauer war und ihm das technische Wissen und Verständnis fehlte, wurde die Maschinenfabrik um 1909 aufgegeben und zu einem Schafstall umgebaut.

Meinert Sassen hatte zu dieser Zeit 300 Schafe. Das Inventar wurde verkauft. Nur der große Deutz-Motor verblieb bei der Mühle, um auch bei Windstille das Getreide schroten zu können.

Während des 1. Weltkriegs, wo Meinert Sassen von 1914 bis 1918 diente, wurde die Mühle von den Kindern (Helmerich 14 Jahre) weiter betrieben. Die Landwirtschaft musste vom Bauern Meiners (Amtsboten) fortgeführt werden.

Um 1920 wurde eine größere Reparatur fällig. Die Galerie war baufällig und musste komplett erneuert werden. Es war aber kein Geld vorhanden, um die Reparaturen durchzuführen. Man beschloss also die Galerie abzureißen.

Um aber mit dem Stert die Kappe in den Wind drehen zu können, füllten die umliegenden Bauern in Hand- und Spanndiensten die Außenmauern so weit mit Sand auf, dass ein ca. 3 Meter hoher Wall die Mühle umgab. Sie erhielt dadurch ein doch merkwürdiges Aussehen.

Den Bauern sollen die geleisteten Dienste für gewissen Zeitraum die Matt erlassen. (Matt = Naturalabgabe an den Müller für das Mahlen; 1Ztr. Mehl = 5 Pfund Mehl Matt).

Als um 1924 der elektrische Strom nach Harkebrügge kam und sich die Bauern nach und nach eigene Motormühlen anschafften, wurde die Wirtschaftlichkeit der Mühle von Jahr zu Jahr schlechter.

Ein Sturm im Sommer 1937 zerstörte einen Flügel total. Eilert Sassen, der den Mühlenbetrieb 1933 von seinem Vater übernommen hatte, entschloss sich die Mühle abzureißen, denn nicht nur der Flügel, sondern auch andere Teile der Mühle waren baufällig geworden. Geldknappheit und geringe Wirtschaftlichkeit waren schließlich der Grund für den Abriss.

An derselben Stelle baute Eilert Sassen ein Mühlengebäude welches eine moderne elektrische Motormühle mit Schrotgang aufnahm. Diese Mühle war bis 1958 in Betrieb.

Im selben Jahr 1958 fand Eilert Sassen bei der Raiffeisengenossenschaft Harkebrügge im „Schuppen“ an der Straße „Zum Walde“ (heute Wohnhaus Henning Block) eine Anstellung.

Die Motormühle fand noch als Schrotmühle im Schuppen über Jahre hinweg ihre Verwendung.

Der letzte Windmüller Harkebrügges starb 83jährig 1987. Mit ihm endet die Geschichte der Windmühle zu Harkebrügge.

 

Quelle: Heinz Frerichs