Wie die Elektrizität nach Harkebrügge kam

Während und nach dem 1. Weltkrieg wurden auf Grund von Petroleum und Kerzenmangel und der einsetzenden Inflation der Wunsch nach der Versorgung mit elektrischer Energie immer lauter. Kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges wurde von Betreibern der Privatmolkerei in Barßel eine Stromversorgung für die Ortschaften aufgebaut und betrieben. Auch wurde später eine Straßenbeleuchtung installiert. Das Leitungsnetz übernahm 1923 die Überlandzentrale Friesoythe. Die Torfkoksfabrik in Elisabethfehn betrieb ab 1905/1906 eine Lokomotive mit Generator um elektrische Energie für die Produktion von Torfkoks herzustellen. Eine Stromleitung ins Moor zu den Torfbaggern wurde 1914 gelegt.

Ausgangspunkt eines Stromleitungsnetzes über lange Strecken wurde das Torfkraftwerk in Wiesmoor, das 1909 von der SEB (Siemens Elektrische Betriebe AG) eröffnet wurde. Leistung 1909 3.240 Kw, Leistung 1921 – 16 Mw (Verbrauch 120.000 to. Torf p.a.!) Teile des Ammerlandes wurden kurz darauf erschlossen, ebenso die Orte Augustfehn, Apen, Bad Zwischenahn, Ocholt und Westerstede. Aber auch die übrigen Ämter im Land Oldenburg wollten an die Stromversorung angeschlossen werden, aber die Leistung vom Kraftwerk Wiesmoor reichte nicht aus.

Die Pläne eines Gezeitenkraftwerks an der Nordseeküste um den Stromhunger zu stillen zerschlugen sich. Das Torfkraftwerk Damme arbeitete nur von 1911 – 1913, es war unrentabel und musste stillgelegt werden. Nach dem 1. Weltkrieg wurden Überlegungen von den Ämtern Cloppenburg und Friesoythe im Rahmen der Notstandarbeiten angestellt, sich an der Überlandszentrale auf dem Luftschiffhafen Alhorn, der ODYSSEUES GmbH Berlin anzuschließen. Da aber der Standort Alhorn in Frage stand, wurde dieser Plan verworfen. Auch die Versuche, das Licht- und Kraftwerk des Luftschiffhafens Wildeshausen für zivile Zwecke nutzbar zu machen, scheiterten.

Der erste Versuch von den Ämtern Cloppenburg und Friesoythe eine Verbindung zu der SEB Wiesmoor herzustellen, deren Leitungen schon bis Ocholt reichten, scheiterten ebenso der Versuch einen Anschluss an die Niedersächsischen Kraftwerke NIKE deren Leitungen in Hunteburg endeten. Die Begründung war eine mangelnde Wirtschaftlichkeit. Auch blieben die Verhandlungen mit dem staatlichen Elektrizitätswerk Doerverden erfolglos. Planungen am Hunte-Ems-Kanal ein Torfkraftwerk zu errichten waren, erfolglos, ebenso die Pläne ein Wasserkraftwerk an der Thülsfelder Talsperre zu bauen.

All diese Versuche zeigen aber die Intensität der Ämter den doch rückständigen ländlichen Raum mit Strom zu versorgen. Im Juli 1921 wurden vom Ministerium für soziale Fürsorge für 150 Erwerbslose im Rahmen von Notstandsarbeiten Mittel zur Verfügung gestellt. Man wurde sich mit der SEB Torfkraftwerk Wiesmoor einig, dass jetzt in der Lage war mit 16 MW Leistung den benötigten Strom zu liefern, einen Anschluss an das Amt Friesoythe herzustellen. Kurz darauf wurde die Überlandzentrale Friesoythe gegründet. Bedingt durch die Inflation zahlten die Abnehmer „verlorene Baukostenzuschüsse“. Im Amt Friesoythe wurden die Zuschüsse in Torfwerte geschätzt bzw. bezahlt. Dadurch hatte man schon vor der Einführung des „Roggengeldes“ eine stabile Währung im Torf. Laut Karl Neubert, Oldenburg hatte dieser drei Tage im Amt Friesoythe Baukostenzuschüsse eingesammelt. Auf dem Weg von Friesoythe über Oldenburg nach Bremen fiel der Reichsbankscheck in Höhe von 600.000,- Mark um 50 %!

Der Bau von zwei Hochspannungsleitungen von Wiesmoor nach Ocholt wurde im Mai 1923 beschlossen. Eine 20 KV-Leitung versorgte von Wiesmoor über Ocholt die Orte – Barßel -Elisabethfehn – Ramsloh – Sedelsberg – Altenoythe – Hohefeld – Bösel. Eine weitere KV-Leitung verlief von Wiesmoor über Ocholt nach Barßel – Harkebrügge – Kampe – Langes Moor – Friesoythe. Die Überlandzentrale Friesoythe versorgte die Orte im Amtsbezirk mit elektrischer Energie nur bis zu den in den Ortschaften befindlichen Transformatorstationen. Für die innerörtliche Stromversorgung waren die Elektrizitätsgenossenschaften zuständig. Das waren für Harkebrügge die Elektrizitätsgenossenschaft Lohe -Harkebrügge (Für den nördlichen Ortsteil) und die Elektrizitätsgenossenschaft Kampe – Harkebrügge (Für den südlichen Ortsteil). Die erste Transformatorstation für Harkebrügge befand sich hinter der Schmiede Drees, die Zweite folgt später an der Straßengabelung Kettelerstraße – Kortemoorstraße. Ab den Stationen liefen die Freileitungen durch das Dorf. Der Leistungsfähigkeit waren jedoch Grenzen gesetzt. Man erreichte kaum mehr als 1000 Meter Leitungslänge ab dem Transformator, auch wirtschaftlich nur, soweit die Leitungen zur dauernden Stromentnahme dienten. Spannungsschwankungen im Kraftwerk und im Netz gaben ihr übriges.

Im Jahr 1925 verkaufte die SEB ihr Kraftwerk in Wiesmoor und im gleichen Atemzug ihre Kraftwerke in Frage, Harburg und Lübeck an die Preußische Elektrizitäts- AG (Preußen Elektra) später umbenannt in Nordwestdeutsche Kraftwerke (NWK).

Als im Jahre 1932 die NSDAP die Regierung in Oldenburg übernahm, erließ sie das Gesetz betreffend die „Vereinfachung und Verbilligung der öffentliche Verwaltung des Freistaates Oldenburg“. Kern dieses Gesetzes war die Zusammenlegung der Elektrizitätswirtschaft im Freistaat Oldenburg. Amtshauptmann Brand aus Cloppenburg wurde mit der Durchführung des Gesetzes beauftragt. Es wurde zunächst der Landeselektrizitätsverband (LEV) gegründet. Diesem traten die Amtsverbände des Oldenburger Landes bei. Diese finanzierten den Ankauf der Hochspannungsanlagen. Danach erfolgte die Übernahme der meisten Elektrizitätsunternehmungen (Überlandzentralen). Die Form und die Methode dieser Übernahmen waren mehr als rücksichtslos. Die Übernahmen wurden ohne Entschädigung durchgeführt. Bei Widerständen wurde politischer Zwang ausgeübt, die Ortsgruppenleiter der NSDAP übernahmen ohne gesetzliche Grundlagen den Vorsitz. In den beteiligten Ämtern gab es sehr viel Unwillen über die Methoden. Aus dem Landeselektrizitätsverband und der Stromversorgungs AG Oldenburg – Ostfriesland wurde schließlich im Jahre 1943 die Energieversorgung Weser – Ems AG (EWE) gegründet.

Anschließend noch einige Bemerkungen:

Der Grundpreis betrug 1912 jährlich 100,- Mark, die Kilowattstunde wurde mit 3 Pfg. berechnet. Die erste große Veränderung gab es 1914, der Grundpreis wurde auf 54,- Mark gesenkt aber die Kilowattstunde auf 50 Pfg. für Lichtstrom und 30 Pfg. für Kraftstrom erhöht.

Eine weitere Besonderheit der damaligen Zeit waren die Glühlampenpreise. Die Lampen hatten in der Regel 10 – 25 Watt und kosteten zwischen 4 und 8 Mark das Stück. Die Lebensdauer wurde aber von dem Kartell (Siemens, Philipps etc.) künstlich auf 1000 Betriebsstunden herabgesetzt. Durch diesen doch hohen Preise war man gezwungen für den gesamten Haushalt nur 1 – 2 Glühlampen einzusetzen, die dann eingeschraubt wurden, wo man Licht benötigte.

Wenn ein Hof oder Haushalt von Petroleum auf Strom umstellte wurde das sogenannte „Petroleumabschiedsfest“ mit allen Nachbarn und Bekannten ausgiebig gefeiert. Das letzte Abschiedsfest wurde, nach Aufzeichnungen von Pastor Bruns, 1958 bei Elsen im Alten Dorf gefeiert.

Bevor Harkebrügge 1923 an das Stromnetz der Überlandzentrale angeschlossen worden ist, gab es zwei Betriebe, die für sich selbst Strom erzeugt haben. Da wäre als erstes der Maschinenbauer Johann Müller zu nennen, der seine Fabrik 1891 mit einem Generator und zwei Motoren ausstattete, um eine Transmission mit mehreren Maschinen zu betreiben. Ebenso wurde die Fabrikhalle mit elektrischem Licht versorgt.

Als zweites ist der Kaufmann Johann Hempen zu nennen, der um 1920 einen Generator betrieb, um Strom für seine Sägemühle und Molkerei, sowie sein Kolonialwarengeschäft, Gaststätte und Saalbetrieb zu erzeugen.

 

Quelle: Heinz Frerichs